Vernetzte Fahrzeuge: Die Konvergenz von Mobilität und Konsumgüterelektronik

Vernetzte Fahrzeuge: Die Konvergenz von Mobilität und Konsumgüterelektronik

Die Automobilindustrie erlebt faszinierende Zeiten. Das Auto als künftiger IoT-Knoten und die Vielzahl von Hardware, die für vernetzte Technologien wie Infotainment-Systeme, Fahrerinformationsanzeigen sowie aktive Sicherheitssysteme entwickelt wird, sind der Katalysator für autonomes Fahren und die gesamte Konsumerisierung des Fahrzeugs.

Der Proof-of-Concept-Demonstrator von Mentor Automotive zeigt die Konvergenz von Fahrzeug-Infotainment und digitalen Cluster-Anwendungen auf einer einzigen Hardware-Plattform. (Bild: Mentor Graphics (Deutschland) GmbH)

Der Proof-of-Concept-Demonstrator von Mentor Automotive zeigt die Konvergenz von Fahrzeug-Infotainment und digitalen Cluster-Anwendungen auf einer einzigen Hardware-Plattform. (Bild: Mentor Graphics (Deutschland) GmbH)


Es ist nicht nur die Konnektivität der Komponenten innerhalb der digitalen Infrastruktur eines Autos, sondern auch die Verbindung der Fahrzeuge mit der Außenwelt – mit anderen Fahrzeugen, dem Internet, der Cloud. Obwohl Hardwareanbieter weiterhin einen wichtigen Beitrag leisten, hat sich die Gewichtung mittlerweile auf die Software verlagert. Die Software-Entwicklung für Embedded-Systeme, einschließlich Prototyping, Debugging, Test und Validierung nimmt einen Großteil der Entwicklungszeit moderner Automobile in Anspruch. Aktuelle Mittelklassewagen verfügen über rund 20 Millionen Codezeilen (das ist mehr Code als bei einem amerikanischen F-35-Düsenjäger). In naher Zukunft werden in einem Premiumfahrzeug bis zu 100 Millionen Codezeilen zu finden sein. Die Entwicklung von Automobil-Software ist damit ein wichtiger Wirtschaftsbereich geworden.

Aktualisierung der Fahrzeugsoftware wie bei einem Smartphone

Die durchschnittliche Lebensdauer eines Autos beträgt etwa zehn Jahre, die Lebensdauer eines Smartphones einen Bruchteil davon. Doch wie kann ein neues Fahrzeug-Infotainment- (In-Vehicle Infotainment – IVI) System auf einer Hardware-Architektur eingeführt werden, die bereits fünf Jahre alt ist? Die Lösung ist ein Over-the-Air- (OTA) Software-Update. Diese Technologie ist heute bereits verfügbar und wird zum Beispiel zur Aktualisierung von Telematik- und Infotainment-Systemen verwendet. Bedenken bestehen dennoch hinsichtlich der Programmierung von anderen Modulen über ein Fahrzeugkommunikationsnetzwerk wie CAN, insbesondere bei Sicherheits- und Speicheranforderungen. Die Technologie, um Infotainment-Systeme und andere Elektronikmodule während der Lebensdauer eines Fahrzeugs auf dem neuesten Stand zu halten, gibt es jedoch bereits. Diese Kombination aus den hohen Erwartungen, die aus der Konsumgüterelektronik kommen und den traditionell langen Automobilentwicklungs- und Produktlebenszeiten erfordert nun kürzere und schnellere Designzyklen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich Automobil-OEMs neue Designtechnologien und Methoden zu eigen machen.

Das vernetzte Automobil

Ein modernes Fahrzeug verfügt über eine Vielzahl von elektronischen Systemen. Dazu gehören zum Beispiel Nachtsichtgeräte, die Fußgängern beim Überqueren der Straße erkennen, radarbasierte Geschwindigkeitsregelungen, die den Abstand zwischen Fahrzeugen regeln, elektronische Stabilitätskontrollen und Antiblockiersysteme, die ein Fahrzeug durch schlechtes Wetter leiten oder Backup-Kameras, die dem Fahrer helfen, in schwierigen Situationen den Überblick zu bewahren. All diese Systeme benötigen elektronische Steuergeräte (Electronic Control Units, ECUs). Kommt dann noch ein Infotainment-System hinzu, stehen die Entwickler vor komplexen Konnektiviäts-Herausforderungen. In einem vernetzten Fahrzeug sind mehr ECUs als je zuvor im Einsatz. Aktuelle Studien zeigen, dass ein Premiumfahrzeug fast 100 ECUs enthält. Zudem findet eine Migration von 8- und 16-Bit-Anwendungsprozessoren hin zu Low-end-32-Bit-Mikrocontrollern (MCUs) statt. Dies ist sinnvoll, da die Hardwarekosten weiter sinken und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit und Kapazität der Hardware steigen. Da die Elektronik in einem vernetzten Fahrzeug eine Vielzahl anspruchsvoller Funktionen verarbeiten muss, wird ein voll ausgestattetes Automobil-Betriebssystem benötigt. Linux hat vielversprechende Ansätze als ein Betriebssystem gezeigt, das zahlreiche Funktionen in seiner Middleware anbietet. Dabei müssen immer öfter harte deterministische Aktivitäten eingehalten und die kritischen Aktivitäten eines Fahrzeugs abgegrenzt werden. Ziel ist es, den Schutz, die Sicherheit und die Datenintegrität zu gewährleisten. Hierfür kommen oft Hypervisoren und Virtualisierungstechnologien zum Einsatz. Die Kombination von Linux mit einem sicherheitszertifizierten Echtzeit-Betriebssystem auf einem Hypervisor bietet beispielsweise eine gute Option, um unterschiedliche kritische Anwendungen auf einer Hardwareplattform zu vereinen und die Gesamtkosten eines Fahrzeugs durch die Konsolidierung von Modulen zu senken. Das Bild zeigt ein Beispiel, bei dem der Mentor Embedded Hypervisor zwei Gastbetriebssyseme hostet: Das erste Betriebssystem ist das Mentor Automotive XSe OPTstack und XSe SuperBSP, das für Linux-basierte Infotainment-Systeme verwendet wird. Das zweite Betriebssystem ist das Mentor Embedded Nucleus Echtzeitbetriebssystem zur Unterstützung von Kombiinstrumenten oder ADAS- (Advanced Driver Assistance Systems) Anwendungen mit Anforderungen an die funktionale Sicherheit. Der Mentor Embedded Hypervisor ist ein Typ-1Hypervisor, der speziell für den Einsatz in Embedded-Systemen ausgelegt ist. In diesem Fall läuft der Mentor-Hypervisor auf dem Mentor Automotive XSe AXSB Hardware-Referenzdesign. Im Bild ist ein kürzlich von Mentor Automotive entwickeltes Proof-of-Concept zu sehen, das eine Reihe von Betriebssystemtechnologien vereint und eine Ansammlung von Softwareanwendungen unterschiedlicher Kritikalität unterstützt. Neben dem Support von sicherheitskritischen Anwendungen, wird auch Security ein großer Schwerpunkt für das vernetzte Fahrzeug sein. Security Enhanced Linux (SELinux) ist eine bewährte Komponente von Linux, deren Eignung nun für die fahrzeuginternen Funktionen eines vernetzten Autos untersucht wird.

Die wachsende Anzahl von ECUs und die Konsolidierung von Modulen

Da die Anzahl der elektrischen Funktionen zunimmt, wird der Konsolidierungsbedarf bei den Modulen ersichtlich. Werden der Fahrzeugarchitektur neue ECUs hinzugefügt, ergeben sich eine Reihe von Problemen. So steigen die Komplexität und das Gewicht des Fahrzeugkabelbaums. Um die Skalierbarkeit der Fahrzeugplattform besser zu unterstützen, sind viele Software-Funktionen redundant. Ein Fahrzeug kann zum Beispiel sowohl ein Telematikmodul mit Spracherkennung enthalten als auch ein Infotainment-System, das Spracherkennung zur Steuerung und Kontrolle nutzt. Zudem kann das IVI-System über ein angeschlossenes Mobilgerät über Freisprechfunktionen verfügen. Bei der Verarbeitung von Sensorsignalen zwischen den neuen Fahrerassistenzsystemen (Advanced Driver Assistance Systems, ADAS) sowie Cockpit- und Fahrerinformationssystemen gibt es ebenfalls viele Gemeinsamkeiten, die die Konsolidierung von Modulen erfordern. Durch die wachsende Anzahl von ECUs im Fahrzeug bekommt auch die Standardisierung einen höheren Stellenwert. Wenn sich die Hardware-Plattformen ändern, muss unter Umständen die Software neu entwickelt und vielleicht die Architektur des Systems neu gestaltet werden, um die Funktionalität zwischen den Modulen zu ändern oder zu konsolidieren. Das Automotive-Open-System-Architecture- (Autosar) Konsortium hat offene Standards für verschiedene Automobil-Softwarearchitekturen etabliert, die diese Art von Problemen adressieren. Automobil-OEMs, Elektrik-Zulieferer, Chiphersteller und Software-Unternehmen sind Mitglieder im Autosar-Konsortium.

Konnektivität im Fokus

Konnektivität bezieht sich nicht nur auf die ECUs in einem Fahrzeug, sondern auch darauf, wie ein Fahrzeug mit der Außenwelt kommuniziert. Wenn sich ein Fahrzeug mit einem Mobiltelefonnetzwerk verbindet, so profitiert das Infotainment-System von der Verbindung, die das Mobilgerät für das Fahrzeug herstellt und beide werden Zugang zu Multimedia, Anwendungen und Daten auf dem Mobilgerät haben, aber auch neue Optionen für den Aufbau einer Verbindung zum Internet erhalten. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Technologien, Fahrzeug-zu-Fahrzeug- (Vehicle-to-Vehicle, V2V) und Fahrzeug-zu-Infrastruktur- (Vehicle-to-Infrastructure, V2I) Kommunikation. Zusammen werden sie als V2X bezeichnet. V2X ist eine Maschine-zu-Maschine- (M2M) Kommunikation, welche die autonome Kommunikation zwischen Autos oder zwischen einem Auto und der Infrastruktur am Straßenrand erlaubt, zum Beispiel mit Ampeln. V2V gestattet es Fahrzeugen, mit Hilfe von Kurzstreckenfunk zu kommunizieren und Informationen über Verkehrsstörungen, Wetterbedingungen, unvorhergesehene Baustellen etc. auszutauschen. Es gibt auch viele kommerzielle Anwendungen wie die Erhebung von Mautgebühren. V2V ist sehr vielversprechend, da es das Fahrerlebnis auf ein völlig neues Sicherheitsniveau hebt. Obwohl sie nicht ausschließlich für ADAS verwendet werden, bieten Fahrzeug-Kommunikationssysteme wie V2V ADAS-Anwendungen interessante Erweiterungsmöglichkeiten. Diese Technologie basiert auf dedizierter Nahbereichskommunikation (Dedicated-Short-Range Communications, DSRC) und nutzt das nicht lizensierte 5,9-GHz-Band, das auch für Wi-Fi verwendet wird. Es ist praktisch, um in Informationen an Fahrzeuge in der näheren Umgebung zu versenden. Die Reichweite beträgt in der Regel bis zu 1000 Meter. Die Technologie ist ideal zum Versenden und Empfangen von lokalen Informationen zwischen Autos, oder zwischen Autos und Stationen am Straßenrand. Aus der ADAS-Perspektive stellt V2V einen weiteren Sensor-Input dar, der zur Verbesserung von Strategien und Reaktionen genutzt werden kann. Die Praktikabilität von V2V und V2I hängt von den Kosten und den Anwenderanforderungen ab. Der Anreiz für den Einsatz dieser Systeme wird wahrscheinlich durch öffentliche Aufträge kommen. In jedem Fall werden die Kosten ein Thema sein. Linux wird als Open-Source-Software-Plattform eine wesentliche Rolle dabei spielen, die Kosten niedrig zu halten. Konsortien wie GENIVI müssen ihre Bemühungen intensivieren, um sicherzustellen, dass V2V und V2I rund um universelle Standards gebaut und in der Industrie akzeptiert werden.

Schlussbemerkung

Das vernetzte Auto ist bereits mitten unter uns und damit der Weg in Richtung intelligente Fahrzeuge eingeschlagen. Es gibt Prognosen, was das Fahrzeug der Zukunft alles können wird. Die Veränderungen werden von ganzheitlicher Natur sein und alle Teile eines Fahrzeugs betreffen. Das Automobil in seiner heutigen Form wird komplett überarbeitet werden. Wahrscheinlich ist kein anderes Software-Unternehmen besser aufgestellt wie Mentor Automotive, um das vernetzte Fahrzeug Realität werden zu lassen.

Thematik: Allgemein
Ausgabe:
Mentor Graphics (Deutschland) GmbH
www.mentor.com

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