Verwaltung von Bauelementen Lifecycle-Management ist bei Halbleitern ein „Muss“

Verwaltung von Bauelementen
Lifecycle-Management ist bei Halbleitern ein „Muss“

Rund 3% der weltweiten Produktion von Halbleitern werden jeden Monat von den Herstellern abgekündigt. Das kann Anwender in Bedrängnis bringen, die in ihren Komponenten oder Systemen solche Bausteine einsetzen, Stichwort allgemeine Verfügbarkeit. Abhilfe schafft ein neuer Ansatz: ein Lebenszyklus-Management für Halbleiter-Bauelemente.
Sowohl Privatunternehmen als auch öffentliche Einrichtungen stehen vor einem Problem: Viele von ihnen setzen in ihren Produkten beziehungsweise Systemen Standard-Bauelemente ein, etwa in der Wehrtechnik und bei Luft- und Raumfahrtprojekten. Das wirkt sich günstig auf die Einstandskosten aus. Der Nachteil ist jedoch, dass der Zeitraum, in dem einzelne Halbleiter-Bauelemente zur Verfügung stehen, immer kürzer wird. Der Grund dafür ist, dass in erster Linie kommerzielle Erwägungen die Entwicklung und Bereitstellung von Halbleiterprodukten bestimmen. Das heißt, dass neue ICs in immer kürzeren Abständen auf den Markt kommen und der Zeitraum schrumpft, in dem diese allgemein verfügbar sind. Das wirkt sich negativ auf die langfristige Versorgungssicherheit aus. In der Wehrtechnik haben beispielsweise einige Waffensysteme ihre vorgesehene Nutzungsdauer bereits weit überschritten. Auch in der Luft- und Raumfahrttechnik werden viele Systeme, etwa Trägerraketen, viele Jahrzehnte lang eingesetzt. Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass pro Monat 3% des weltweiten Bestands an elektronischen Bauelementen abgekündigt werden. Die Folge: Bei einem langfristig angelegten Projekt ist bereits ein Drittel der darin verwendeten Halbleiterprodukte obsolet, noch bevor das Programm überhaupt kommissioniert ist. Dass dies kein künstlich herbeigeredetes Schreckensszenario ist, beweist der Fall des amerikanischen Langstrecken-Bombers B-52. Für dieses System liefert das e2v-Werk in Santa Clara (vormals QP Semiconductor) wöchentlich Bauteile. Der B-52 befindet sich bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert im Einsatz und dürfte noch mindestens weitere 30 Jahre eingesetzt werden. Die ursprüngliche Planung ging von einer maximalen Nutzungsdauer von 30 bis 50 Jahren aus.

Problemfall Versorgungssicherheit

Das Abkündigen von Bauelementen ist vor allem in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Wehrtechnik ein wichtiger Faktor. Doch auch andere Branchen sind betroffen, etwa die Hersteller von Kraftwerken, die Ölförderung, die Eisenbahntechnik und die Fabrikautomatisierung. Im Grunde betrifft das Thema alle Bereiche, in denen elektronische Ausrüstung über lange Zeiträume hinweg genutzt wird und in denen die Kosten für das Re-Design oder die erneute Zertifizierung eines Systems schwerer wiegen als die Aufwendungen für die Beschaffung der Bauelemente. Neben dem Risiko, dass die Beschaffung von Ersatz-ICs die Kosten in die Höhe treibt, droht die Gefahr, dass gefälschte Produkte aus unkontrollierten Quellen in die Lieferkette eingeschleust werden. Zwar gibt es mit dem Obsoleszenz-Management ein etabliertes Verfahren, das Probleme im Zusammenhang mit dem Veralten von Halbleitern lösen soll. Doch in der Praxis setzten viele Anbieter und Distributoren von Halbeleiterbausteinen auf eine ineffiziente Ad-hoc-Strategie, und auch dies häufig erst dann, wenn bereits Schwierigkeiten bei der Versorgung von Kunden aufgetreten sind.

Semiconductor Lifecycle Management

Aus diesem Grund hat e2v ein neues Konzepts für das Design, die Produktion und den ‚Through-Life-Support‘ von Komponenten entwickelt, die in der Luft- und Raumfahrt, der Wehrtechnik sowie in kommerziellen Produkten mit langen Lebenszyklen Verwendung finden: das Semiconductor-Lifecycle-Management (SLiM). Im Prinzip geht es bei SLiM darum, die Auswirkungen der Bauelemente-Obsoleszenz einzukalkulieren und abzumildern. Für die Unterstützung kritischer Produkte über lange Zeiträume hinweg sind die Teams von e2V in Kalifornien und im französischen Grenoble bestens gerüstet. Beide gehören zur Hi-Rel Semiconductor Solutions Division des Unternehmens. Der Standort Grenoble wurde von e2v vor 25 Jahren gegründet, um strategische Halbleiter für die Luft- und Raumfahrt-Industrie zu entwickeln und herzustellen. In Santa Clara (Kalifornien) widmet sich e2v seit mehr als 20 Jahren der Produktion und dem Re-Engineering von ICs, die nicht mehr hergestellt werden, hauptsächlich von Bausteinen für den Einsatz in der Luft-, Raumfahrt- und Wehrtechnik. Später gründete e2v die Aerospace and Defense Inc. mit Sitz in Santa Clara. Sie betreut entsprechende Projekte in den USA. Im Rahmen des SLiM-Programms werden bereits zu Beginn des Entwicklungszyklus von Produkten und Systemen die Auswirkungen berücksichtigt, die das Abkündigen von Halbleitern mit sich bringen. Auch für bereits existierende Systeme sieht SLiM Lösungen vor. Das Lifecycle Management-Konzept von e2v besteht aus folgenden Komponenten:


Re-Design- und Re-Engineering-Einrichtungen, Wafer Banking und Liefersicherheit über den

gesamten Lebenszyklus hinweg,

Lagerungs-, Packaging-, Test- und Re-Design-Einrichtungen in Europa und Nordamerika,

einer Vielzahl von Hi-Rel-Halbleiterprodukten, darunter Hi-Rel-Mikroprozessoren,

System-Interconnect-Komponenten und MRAM-Produkten, Breitband-Datenwandlern und der QP

Semi IC-Produktlinie,

einer abgesicherten und flexiblen Lieferkette für Hi-Rel-Produkte zum Schutz vor den Risiken von

Produktfälschungen sowie

einer DSCC-qualifizierten Herstellerlistung.

SLiM sieht vor, dass ein Entwicklungsteam vom ersten Tag an mit einem SLiM-Provider zusammenarbeitet, um kritische Bausteine zu ermitteln und deren erweiterte Verfügbarkeit einzuplanen. Dies mag auf den ersten Blick recht simpel erscheinen. Die Umsetzung dieses Konzepts erfordert jedoch ein profundes Know-how, Lagerkapazitäten sowie Equipment zum Montieren und Prüfen von Halbleitern. Zudem müssen Ressourcen vorhanden sein, um Bauelemente nötigenfalls neu zu designen. Die meisten Anbieter auf dem Markt können solche Dienstleistungen nicht anbieten. Bei Produkten, die bereits in Systemen eingesetzt werden, ist es wichtig, dass der SLiM-Provider eng mit OEMs und Anwendern zusammenarbeitet, um den LTB-Bestand (Life Time Buy) zu überprüfen und die Verfügbarkeit und künftigen Kosten der Komponenten zu ermitteln.

Bestandteile:

Ein Semiconductor-Lifecycle-Management-Programm lässt sich in folgende Bereiche unterteilen:

Die Versorgung mit Hi-Rel-Halbleiterbausteinen
Welche Produkte angeboten werden, hängt vom jeweiligen Unternehmen ab. Grundsätzlich kommt es darauf an, die Versorgungs- und Qualitäts-Historie gegen die Hi-Rel-Anforderungen abzuwägen. Da sich die entsprechenden Geschäftsbeziehungen über Jahrzehnte erstrecken können, muss man die Gewissheit haben, dass der jeweilige Zulieferer langfristig ein vertrauenswürdiger Partner ist.

Hi-Rel-Test und Packaging-Services
Es ist wichtig, dass diese Dienste auch die langfristige Unterstützung von Montage- und Prüfsystemen mit einschließen. Sind entsprechende Testsysteme nicht mehr verfügbar, kann das zu Einschränkungen beim Support führen.

Services für ein Obsoleszenz-Management
Anbieter von Lifecycle-Management-Services sollten in jeder Phase des Produktlebenszyklus die entsprechenden Support-Services für OEMs in den Bereichen Luft- und Raumfahrt- sowie Wehrtechnik bieten. Die Voraussetzung dafür ist, dass der SLiM-Anbieter bereits im Vorfeld mögliche Probleme durch das Abkündigen von Bauelementen identifiziert. Außerdem sollte er die dadurch entstehenden Risiken für den Systemnutzer quantifizieren, auch in finanzieller Hinsicht. Das Ziel ist, konstante Kosten für die betreffenden Bauelemente und eine langfristige Versorgungssicherheit sicherzustellen. In die Services lassen sich bei Bedarf ein End-of-Life-Management und die Bevorratung von Wafern mit einbeziehen. Außerdem kann der Service-Anbieter Packaging- und Prüfsysteme vorhalten, um später eine adäquate technische Unterstützung sicherzustellen.

End-of-Life-/DMS-Lösungen und -Services
Sie stellen sicher, dass an mehreren Standorten Wafer von Halbleitern vorgehalten werden (Wafer Banking) und nachvollziehbar ist, von welchen Lieferanten die Bauelemente stammen. Die Zertifizierung gemäß QML (Qualified Manufacturers List) und DSCC (Defense Supply Center Columbus) bieten die Gewähr, dass es zu keinen Freigabeproblemen kommt. Bei Bedarf umfassen die Services auch Hilfe beim Umstieg auf eine neue Foundry oder die Suche nach einer alternativen Quelle für bestimmte Halbleiter.

Re-Design oder Second-Source-Produktlösungen
Wichtig ist, dass Bauelemente neu designt werden können, wenn die ursprüngliche Bezugsquelle versiegt ist. Das setzt voraus, dass der SLiM-Anbieter über gute Geschäftsbeziehungen zu Designhäusern und Fabs verfügt, die in der Lage sind, ältere Bausteine herzustellen. Zudem sollte er Zugriff auf die passenden Packaging- und Prüfsysteme haben. Einmal mehr ist die Sicherheit der QML/DSCC-Freigabe für Re-Design- und Second-Source-Produkte entscheidend dafür, dass die Lieferkette reibungslos arbeitet.

Eine Menge Details
Hinter diesen fünf Abschnitten des dargestellten Lifecycle-Kreises stecken eine Menge Details. Hier kommt es darauf an, sich von den vielen Möglichkeiten und Optionen nicht überfordern zu lassen, sondern sich vielmehr gezielt jenen Bereichen zu widmen, mit denen man sich auseinandersetzen muss, um die spezifischen Obsoleszenzprobleme zu lösen. Nicht alle Aspekte dieser Abschnitte sind in allen Situationen erforderlich. Außerdem kann der SLiM-Provider die nötigen Komponenten zur Sicherung der langfristigen Versorgung individuell anpassen.

Beispiele aus der Praxis

Wie SLiM in der Praxis umgesetzt wird, zeigen zwei Beispiele. So schloss e2v einen Vertrag mit Free-scale Semiconductor ab, der die Verlängerung der Lebensdauer der Mikroprozessoren Reihe Motorola 68000 sicherstellt. e2v übernimmt demnach das Wafer Banking, damit die Bausteine auch nach Abkündigung durch Freescale zur Verfügung stehen. Sobald Freescale die Fertigung der Prozessoren der Reihe 68020, 68882 und 68C000 einstellt, ergänzt e2v zudem seine Hi-Rel-Produkte um kommerzielle Versionen in Kunststoff- und Keramikgehäusen. Die Freescale-Produkte werden nach derzeitigem Stand noch mindestens zehn Jahre bei e2v erhältlich sein, die Hi-Rel-Versionen sogar mehr als 25 Jahre. Das Lizenzabkommen sieht zudem vor, dass e2v eigene Versionen der Prozessoren der 68000er Familie und der PowerPC-Linie herstellen und vertreiben darf. Das Unternehmen bezieht zu diesem Zweck von Free-scale Wafer und Bauelemente, die eigentlich für kommerzielle Anwendungen vorgesehen sind. Diese Komponenten werden mithilfe von Re-Packaging und entsprechenden Tests für einen erweiterten Temperaturbereich tauglich gemacht, sodass sie die erhöhten Anforderungen in der Wehrtechnik sowie in Luft- und Raumfahrt erfüllen. Im April hat e2v Aerospace and Defense außerdem überarbeitete-Versionen der Operationsverstärker QP Semi QP741 und QP747 eingeführt. Sie ersetzen den LM741 von National Semiconductor/Fairchild. Dies ist ein Beispiel dafür, dass e2v Alternativen bieten kann, wenn ein Re-Design von Systemen zu komplex und kostspielig ist.

Prozessoren für die Ariane 5

Wie wichtig ein Semiconductor-Lifecycle-Management ist, zeigt außerdem die europäische Trägerrakete Ariane 5. Bereits 1998 unterzeichnete e2v einen Zehnjahresvertrag mit Matra Marconi Space (jetzt EADS-Astrium) über die Lieferung von 68000-Mikroprozessoren für das Ariane-V-OBC-Programm. Dazu zählen weltraumtaugliche Bauelemente aus der Wafer Bank von e2v. Für den Hersteller der Rakete bedeutet dies, dass während der gesamten Laufzeit des Programms von zwölf Jahren keine Kosten für ein Re-Design und die erneute Qualifizierung von Ersatz-Halbleiterbausteinen anfallen.

Fazit

Die Obsoleszenz von Halbleiter-Bauelementen ist ein wachsendes Problem. Aus diesem Grund tritt e2v vehement für ein Semiconductor-Lifecycle-Management ein. Wird ein entsprechendes Programm bereits zu Beginn eines Projektes gestartet, lassen sich die negativen Auswirkungen, die mit dem Abkündigen von Halbleiter-Bausteinen verbunden sind, auf ein Minimum reduzieren. Doch auch dann, wenn Halbleiter bereits in Produkten und Systemen im Einsatz sind, bringt SLiM Vorteile, etwa eine langfristige Versorgung mit Ersatz-ICs, und das bei überschaubaren Kosten. Ein Lebenszyklus-Management von Halbleiter-Bausteinen ist somit kein Luxus, sondern schlichtweg eine Notwendigkeit.

E2V Technologies GmbH
www.e2v.com

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