Die Qual der Wahl

Speicher-Chips für Referenz-Designs

Die Qual der Wahl

Fast jeder Hardware-Entwickler hat bereits einmal diese Erfahrung gemacht: Kaum ist die Entwicklung eines Produkts abgeschlossen, tritt der Gau ein – der Speicherchip ist abgekündigt. Vorfälle dieser Art kosten Unternehmen jeden Monat Millionen von Euro. Der Spezialdistributor Memphis Electronic hat in den 20 Jahren seines Bestehens schon etliche solcher Fälle gelöst und weiß: Diese Fehlgriffe lassen sich im Vorfeld vermeiden, wenn die Entwickler Zugang zu allen relevanten Informationen bei einem Spezialisten bekommen.
Hersteller opfern viel Zeit und Mühe für ihre Designs, bestellen Muster von Speicher-ICs und prüfen deren Verfügbarkeit, denn die ersten Protoypen legen die Beschaffung der Bauteile oft auf viele Jahre fest. Allerdings beschränken sich viele Entwickler auf bekannte Hersteller und schränken sich somit unnötig ein, wie ein Beispiel aus der Praxis zeigt: Ein Einkäufer eines Hardware-Unternehmens erkundigte sich nach der Verfügbarkeit einer bestimmten Artikelnummer. Da DDR2-Produkte dieses Herstellers bei Memphis schon als hochpreisig und schwer lieferbar bekannt sind, schaute sich der Speicher-anbieter zunächst die technischen Daten des Bauteils an. Es handelte sich dabei um einen 1-Giga-bit-DDR3-Speicher in einer x16-Organisation mit einer DDR3-1066 Speed und Low-Voltage von 1,35V (1,5V-tolerant). Diese Bausteine sind beliebt in Embedded-Memory-Anwendungen, jedoch wird für 1,35V und DDR3-1600 meist ein Preis-Aufschlag gegenüber normalen Modellen verlangt. Nachfragen beim zuständigen Hardware-Entwickler ergaben aber, dass der im Board-Design verwendete Chipsatz die Speicher nur mit einer Geschwindigkeit von DDR3-1066 anspricht und die Spannung wahlweise auf 1,5 oder 1,35V einstellbar ist.

De facto lassen sich mit diesen Angaben nahezu alle DDR3-Speicherbausteine mit dem verwendeten Prozessor und Chipsatz einsetzen, sofern die grundsätzlichen Eckdaten der Kapazität und Bit-Breite passen. Somit können günstigere Speicher verwendet werden, von Herstellern mit besserer Verfügbarkeit. Im betreffenden Fall erklärte der Entwickler, dass er die ursprünglich gewählte Artikelnummer des Speichers auf einem Referenzdesign des Prozessor-Herstellers fand, an das er sich anlehnen wollte, weil er annahm, dass damit die Funktion gewährleistet sei. Außerdem fand sich der gewählte Hersteller des Speicherchips mit dieser Artikelnummer auf der Liste der zugelassenen Hersteller (Approved Vendor List, AVL) des Chipset-Anbieters. Die Einkaufsabteilung hatte somit die Aufgabe erhalten, für die ersten Prototypen auf den teuren und schwer beschaffbaren Speicherbaustein zurückzugreifen, obwohl auch preisgünstigere Alternativen existierten. So versuchen DRAM-Hersteller häufig ihre ICs auf den Referenzdesigns der Prozessoranbieter setzen zu lassen. Damit erreichen sie, dass Anwender, die auf Basis des Prozessors ein eigenes Board entwickeln, dann genau nach dem auf dem Referenzdesign verwendeten DRAM-Chip fragen. Und das kann den Preis dieses Speicherchips nach oben treiben. Solche Kosten lassen sich vermeiden, wenn Entwickler die Datenblätter von Speicher-Bausteinen daraufhin analysieren, ob die Spezifikationen für ihr Design tatsächlich unabdingbar sind. Darüber hinaus sollten sie sich erkundigen, welche I/O-Taktraten bei DRAM-Chips üblich und damit in günstiger Massenproduktion erhältlich sind. Um sich vor Überraschungen zu schützen, sollten Entwickler nicht nur auf einen Hersteller von Speicher-ICs setzen, denn alle namhaften Speicherhersteller haben SDRAM-, DDR1-, DDR2- und DDR3-Chips für kommerzielle und industrielle-Anwendungen im Programm. Viele kleinere Unternehmen liefern auch Produkte in vergleichbarer Qualität wie die etablierten Hersteller, allerdings zu niedrigeren Preisen. Wer Speicherbausteine von diesen Fabless-Herstellern beziehen möchte, sollte im Vorfeld klären, über welche Vertriebskanäle diese erhältlich sind. Distributoren können z.B. Muster beschaffen und technische Unterstützung leisten.

Mehrere Quellen nutzen

Am Beispiel eines DDR3-Bausteins ermittelte die Memphis Electronic AG Alternativen und qualifizierte drei Bausteine, einen vom ursprünglich genutzten Hersteller sowie zwei von anderen Herstellern. Der Vorteil: Der Kunde verfügt nun über genügend Bezugsquellen für Speicher-Chips, auch bei Revisionsänderungen des Boards. Zudem war er in der Lage, die Kosten zu senken. Bei neuen Designs stehen viele Entwickler aktuell vor der Frage, ob DDR2- oder DDR3-Speicher für langfristige Projekte besser geeignet sind. Da viele Prozessoren beide Speichertypen unterstützen, gibt es keine pauschale Antwort. Aber etwas Hintergrundwissen hilft dabei, eine Entscheidung zu treffen: Speicherbausteine in der Elektronikindustrie sind ein Commodity-Produkt. Das heißt, es gibt zwar viele ICs unterschiedlicher Hersteller, die aber alle den JEDEC-Richtlinien entsprechen und somit – bei gleicher Konfiguration – zueinander kompatibel sind. Damit ist die Verwendung gleicher Produkte von verschiedenen Herstellern grundsätzlich möglich. Dennoch hat jeder DRAM-Anbieter sein eigenes Spezialgebiet, in dem er besonders aktiv ist und hohe Stückzahlen anfertigt, was zu günstigen Preisen führt.

Embedded-Designs: Der Consumer-Electronic hinterher

Zweitens lohnt sich ein Blick auf die bisherige Entwicklung der DRAM-Technologie: In den letzten 15 Jahren erschienen erst Fast Page RAM (FPM), EDO RAM und SDRAM, dann DDR-Bausteine, bis hin zu DDR2 und DDR3. Auch wenn FPM- und EDO-RAMs immer noch produziert werden, sind diese mittlerweile fast ausgestorben. Im Gegensatz dazu sind SDRAM-Chips immer noch weit verbreitet, werden aber vermehrt von den namhaften Herstellern abgekündigt. Gleichzeitig steigen viele Fabless-Anbieter verstärkt in die SDRAM-Produktion ein. Die Computer-Industrie hat Laptops und PCs bereits seit einiger Zeit auf DDR3-Bausteine umgestellt und auch in der Consumer-Elektronik steigt die Verwendung von DDR3 rapide an. Bei Embedded-Designs läuft die Entwicklung langsamer, daher dominieren hier weiterhin die Technologien SDRAM, DDR1 und DDR2, aber auch Mobile DRAMs. Entwicklungen von Industriecomputern auf Basis von DDR3 sind relativ selten und scheitern oft an der mangelnden Verfügbarkeit von geeigneten Speichern, da oftmals Sonderwünsche beim Temperaturbereich gefordert werden. Doch fast alle Speicherarten, die seit SDRAM eingeführt wurden, sind noch erhältlich; daran sollte sich mittelfristig nichts ändern. Solange Entwickler also eine gängige Speicherkonfiguration wählen und sich nicht nur auf einen Hersteller festlegen, sind sie sowohl mit DDR2 als auch mit DDR3 auf der sicheren Seite.

Die gängigste Speicherdichte

Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl der passenden Speicher-Chips ist die Bit-Breite der DRAMs. Halbe Speicherdichte bedeutet nicht automatisch, dass der Preis um die Hälfte niedriger ist. Jeder Fall ist hier einzeln zu betrachten. In manchen Fällen lassen sich durch Verwendung von mehr Bausteinen niedriger Kapazität die Kosten senken und die Verfügbarkeit steigern. In anderen Fällen, z.B. bei vielen DDR3 Produkten, ist es sinnvoller, statt x16 organisierten ICs auf die x8 Modelle zu setzen, da diese durch ihre breite Verwendung in heutigen PCs und Laptops gut erhältlich und preiswert sind. In jedem Design ist die zukünftige Erweiterbarkeit zu berücksichtigen. Wenn auch prinzipiell davon auszugehen ist, dass Bausteine gleicher Technologie und Bit-Breite das gleiche Chip-Gehäuse und Pinning haben, so sollten trotzdem bereits beim Layout der Boards die für höhere Kapazitäten nötigen Adressleitungen der DRAMs verbunden werden. Besondere Beachtung muss auf die Gehäuse-Größen gelegt werden: Während das Pinout JEDEC-genormt ist, sind es die Außenmaße heutiger DRAMs in BGA-Gehäusen nicht. Ein Blick auf die typischen maximalen Gehäusemaße aller Hersteller und Speicherkapazitäten hilft hier, das Board-Design derart zu planen, dass auch in Zukunft DRAMs sämtlicher Hersteller verwendet werden können. Bei DDR3 sind auch Dual-Die Produkte gängig. Hier sind zwei DRAM-ICs in einem Gehäuse und damit sind Speicherdichten von bis zu 8Gbit in einem Chip möglich. Entwickler, die Boards mit solch hohen Speicherdichten benötigen, sollten ihr Layout entsprechend vorbereiten.

Flash-Speicher mit integriertem Controller?

Viele aktuelle Designs nutzen NAND-Flash. Die Wahl des passenden Speichers erfolgt aber nach einem ähnlichen Prinzip: Flexibilität im Design und ein genauer Blick auf die Anforderungen. Bei Embedded-Anwendungen können Entwickler auf Flash-Memory-ICs oder externe Flash-Speicher zurückgreifen. Oder sie verwenden Flash-ICs mit integriertem Controller. Bei Verwendung von reinen Flash-Komponenten muss die CPU diese Speicher ansteuern, bei NAND-Flash zudem noch ein Bad-Block-Management und Wear-Levelling übernehmen. Dies kostet Prozessorzeit und bedeutet mehr Programmieraufwand für den Entwickler. Die meisten NAND-Flash-Speicher werden in TSOP-Gehäusen und einer typischen Betriebsspannung von 3,3V ausgeliefert. Es gibt zwar in der Industrie die Nachfrage nach NAND in BGA-Gehäusen und/oder mit 1,8V, aber solche Bausteine werden nicht in denselben Stückzahlen wie die TSOP-3,3-V-Version hergestellt. Es besteht also die Gefahr, von einem einzigen Lieferanten abhängig zu werden, was zu Versorgungsengpässen führen kann. Externe Flash-Karten sowie eMMC-Chips besitzen integrierte Controller. Die aufwändige Verwaltung findet innerhalb des Controller-Chips statt, womit die CPU entlastet wird. Der Vorteil bei der Nutzung reiner Flash-Komponenten ist der günstige Preis und die Kompatibilitäts-Sicherheit. Sämtliche externe Flash-Karten tragen das Risiko, dass bei gleicher Artikelnummer regelmäßig Änderungen der in der Karte verwendeten Flash-Speicher, des Controllers oder der Controller-Software zu Inkompatibilitäten führen. eMMC Produkte haben diese Problematik nicht, sind aber dafür extrem schwierig lieferbar. Da es verschiedene Pinouts und Kapazitäten gibt, werden eMMC-Chips von den Herstellern nicht auf Lager produziert. Oft benötigen die Anbieter große Bestellmengen, damit sie derartige Speicher überhaupt für einen Kunden anfertigen, denn eine Chip-Produktion wird nicht für Kleinmengen gestartet. Entwickler sollten sich darüber im Klaren sein, dass es bei NAND-Flash-Speichern generell häufig zu Versionsänderungen (Shrinks) kommt, die dann oft mit etwas geänderten Spezifikationen angesteuert werden müssen. Derartige Versionsänderungen betreffen auch Flash-Karten.

Fazit

Unter dem Strich sollten Entwickler von Embedded Designs in puncto Speicher folgendes beachten: Sie sollten offen für neue Anbieter von ICs sein und nicht nur auf renommierte Hersteller setzen. Kompetente Lieferanten sollten über ein profundes Know-how verfügen und guten Support bieten. Wer Designs über die Maßen kompliziert gestaltet, riskiert Probleme mit der Verfügbarkeit von Speicherchips und treibt die Kosten in die Höhe. Wichtig ist für Entwickler zu akzeptieren, das trotz aller Vorkehrungsmaßnahmen Hersteller ihre Produktstrategien ändern. Entwickler, die diese Richtlinien bei der Wahl des Speicherbausteins berücksichtigen, sichern sich genügend Spielraum für kreative Embedded-Design-Entwürfe.

Memphis Electronic AG
www.memphis.ag

Das könnte Sie auch Interessieren