Infotainment im Auto

Infotainment im Auto

Wischen und Gesten wie beim Smartphone

Anfang Juni stellte Elektrobit (EB) die Version 5.3 seiner Entwicklungssoftware für Bedienoberflächen in Fahrzeugen – EB Guide – vor. Die Version bietet Multitouch-Unterstützung und höhere Leistung im Vergleich zur Vorgängerversion. Zugleich kommt es nach Angaben des Herstellers dem Wunsch vieler Automobilhersteller nach schneller Integration neuer Technologien, markentypischer Gestaltung durch individuelle Benutzeroberflächen und Reduzierung der Entwicklungskosten nach. Anwender erhalten lediglich eine Plattform, können damit aber unterschiedliche Designs für verschiedene Fahrzeugmodelle verwenden, sodass Automobilhersteller und -zulieferer Entwicklungskosten sparen können, Kunden aber eine markentypische Nutzeroberfläche anbieten können. Welche Trends Entwickler künftig im Automobil umsetzen müssen, erläutert Martin Schleicher, Vice President Infotainment von Elektrobit, im Interview mit der embedded Design.

Smartphones sind im Trend. Wie wirkt sich die Bedienung dieser mobilen Geräte auf die Bedienung in Autos aus?

Martin Schleicher: Aus dem Bereich der Smartphone-Bedienung kommen eine Vielzahl von Einflüssen, beispielsweise die anmutige grafische Darstellung wie Farbverläufe. Dazu gehören aber auch Bedienelemente wie Knöpfe oder Listen mit dem Effekt, dass Anwender eine Liste nach unten ziehen, die dann weiter nach oben läuft. Besonders hochwertige grafische Darstellungen wie Schatten- und Lichteffekte, realistische Darstellung oder pseudo-realistische Darstellung von Elementen mit Verlauf und Überblendungen erfordern sehr hochwertige und hochauflösende Displays. Diese werden in Zukunft im Auto zum Einsatz kommen. Doch nicht nur die grafische Darstellung schauen sich Autobauer vom Smartphone ab. Die Bedienkonzepte, wie man sie auch vom iPhone und Apps her kennt wie Wischen und Gesten, kommen teilweise auch. Wobei es noch ein bisschen unsicher ist, ob sich das tatsächlich im Fahrzeug so umsetzen lässt.

Würde das den Fahrer im Auto zu sehr ablenken?

Schleicher: Ja, das ist genau der Grund, warum das Thema Apps mit großer Vorsicht gesehen wird. Zudem laufen die Anwendungen nicht immer fehlerfrei. Diese Nebenwirkungen müssen ausgeschlossen werden, genauso dürfen die Applikationen Fahrzeuge nicht beeinflussen. Sonst könnte möglicherweise ein Hacker eine App schreiben und das Fahrzeug manipulieren. Hier liegt die Verantwortung bei den Autobauern.

Ein weiterer Aspekt ist die Sprachsteuerung. Was wird hier getan, um sie zuverlässiger zu gestalten?

Schleicher: Auch wenn Sprachsteuerung bereits seit einigen Jahren in Autos eingebaut wird, ist das Thema nach wie vor aktuell. Unserer Einschätzung nach, erfolgt jedoch nie die komplette Bedienung per Sprache, sondern die Sprache wird immer eine Option neben anderen bleiben. Im Infotainment-System des neuen Audi A3 wurde beispielsweise eine deutlich verbesserte Spracherkennung umgesetzt. Es klappt ohne Training. Der Sprachbefehl ‚Navigiere zu Christian Müller‘ funktioniert einwandfrei.

Man muss vorher also nicht ‚Christian Müller‘ eingesprochen haben?

Schleicher: Nein, den Namen erkennt das System aus den Kontakten heraus. Und die Erkennungsrate ist sehr gut, auch wenn man mit Akzent, undeutlich oder mit Hintergrundrauschen spricht.

Dann ist eine Lernfunktion gar nicht mehr integriert?

Schleicher: Nein, die ist nicht mehr notwendig. Wir haben die Erkennungsalgorithmen so verbes-sert, dass Sprache sehr schnell erkannt wird. Auch die Bedienabläufe mit Sprache sind mit dem Audiosystem abgestimmt. Hier zeigen sich weitere Trends: In Zukunft kann in Autos die sogenannte server-basierte Spracherkennung eingesetzt werden, um komplexere Funktionen auszuführen, beispielsweise um E-Mails oder SMS zu diktieren. Das ist insbesondere in den USA ein großes Thema. Die Funktion lässt sich gut über Server umsetzen, da es für die Fahrfunktion des Autos nicht notwendig ist.

Das heißt, das Auto benötigt einen Internetzugang?

Schleicher: Ja, das Auto ruft eine Zentrale bzw. einen Server an und der Server versucht den gesprochenen Text zu erkennen und schickt ihn dann zurück. Und das geht deutlich besser auf einem Server als im Fahrzeug. Wenn sich das Auto dann beispielsweise in einem Tunnel befindet und kein Mobilfunknetz hat, lässt sich zwar keine SMS diktieren, aber diese Funktion ist für den Betrieb nicht lebenswichtig.

Gibt es im Bereich der Spracherkennung noch weitere Trends?

Schleicher: Ja, dieser wird sich aber wohl erst in einigen Jahren durchsetzen. Hierbei geht es um die Erkennung natürlicher Sprache, also Natural Language Understanding. Dazu müssen die Systeme deutlich flexibler arbeiten. Statt zu sagen ‚Navigiere zu Christian Müller‘ würde das System den Befehl ‚Ich möchte ins Büro fahren‘ verstehen. Bei dem Satz ‚Es ist zu warm im Auto‘ würde das System die Temperatur herunterregeln. Hierbei muss die Spracherkennung feststellen, ob das wirklich gemeint ist. Das Ende der Fahnenstange der Möglichkeiten ist also noch nicht erreicht.

Elektrobit Automotive GmbH
www.elektrobit.com

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