Multi-Touch-Gesten für 3D-Objekte
Die breite Akzeptanz von Smartphones und Tablets führt zu einer erhöhten Nachfrage nach Lösungen auf Basis der Multi-Touch-Technologie in industriellen und medizinischen Anwendungsbereichen. infoteam hat gemeinsam mit Kunden diesen Bedarf ermittelt und Konzepte zur Interaktion mit 3D-Objekten mithilfe von Gesten evaluiert und implementiert. In diesem Artikel werden Bedienkonzepte, deren Grundlagen und Umsetzung sowie die Ergebnisse aus der Benutzerbefragung vorgestellt.
Multi-Touch-Displays werden derzeit vor allem in mobilen Geräten, wie Smartphones und Tablets eingesetzt. Infolge der hohen Verbreitung dieser Geräte haben sich die hierfür implementierten Bedienkonzepte implizit zu Standards entwickelt. Dazu zählen Zoomgesten zum Verkleinern und Vergrößern von Inhalten und Wischgesten zum Blättern. Durch Berührung steuerbarer Anwendungen stoßen sie nicht zuletzt wegen ihrer einfachen Bedienbarkeit auf hohe Anwenderakzeptanz. Dies führt dazu, dass Multi-Touch-Displays verstärkt auch in anderen Anwendungsbereichen, wie der Medizintechnik, eingesetzt werden, um innovative und intuitive Bedienkonzepte für Geräte zu realisieren. Anwendungen im medizinischen Umfeld unterscheiden sich dabei sicherlich in vielen Aspekten von jenen eines Smartphones oder einer Spielekonsole. So müssen detailgetreue 2D- oder 3D-Darstellungen z.B. von menschlichen Organen einfach und schnell, aber dennoch präzise auf Bildschirmen auch im sterilen Umfeld manipuliert werden können.
Konzepte zur intuitiven Bewegung von 3D-Objekten
Für die Interaktion mit zweidimensionalen Inhalten hat sich weitgehend das Konzept der RST-Gesten (Rotate, Scale, Translate) durchgesetzt. Im Umgang mit dreidimensionalen Inhalten existiert dagegen noch kein einheitliches oder zumindest weitverbreitetes Bedienkonzept. Aus diesem Grund hat infoteam unterschiedliche Bedienkonzepte für die Manipulation von 3D-Objekten mithilfe eines Multi-Touch-Displays umgesetzt. Die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Konzepte hat die infoteam Software AG gemeinsam mit einem Kunden anhand konkreter Anwendungsfälle herausgearbeitet.
Gesten: Unterscheidung und Begriffe
Gesten lassen sich grundsätzlich in kontinuierliche und diskrete Gesten unterscheiden. Eine diskrete Geste wird erst nach Abschluss der Touch-Aktion erkannt und löst ein einzelnes Ereignis aus. Ein Beispiel hierfür ist das kurze Antippen des Bildschirms zum Klicken eines Buttons, analog zu einem einzelnen Mausklick. Diese Tap-Geste ist erst als solche erkennbar, wenn nach dem Lösen des Fingers am Ende der Geste feststeht, dass die Berührung sehr kurz und lokal war. Erst jetzt wird eine einzelne Reaktion ausgelöst. Im Gegensatz dazu löst eine kontinuierliche Geste bereits eine Reaktion aus, während sie noch auf dem Bildschirm gezeichnet wird. Diese Reaktion wird laufend in Abhängigkeit von der Bewegung fortgesetzt und angepasst. Das Zusammenführen oder Auseinanderziehen von zwei Fingern auf dem Monitor ist ein Beispiel für eine kontinuierliche Geste (‚Pinch-to-Zoom‘). Die Bewegung skaliert ein Objekt oder ändert die Zoomstufe der Darstellung. Es wird außerdem in direkt und indirekt manipulative Gesten untergliedert. Bei einer direkt manipulativen Geste wird der Bezugspunkt zu einem Objekt auf dem Display durch das direkte Antippen des Objektes hergestellt. Bei einer Bewegung des Fingers über das Display bleibt der gleiche Pixel des Objekts während der gesamten Geste unter dem Finger. Wird also beispielsweise ein Objekt mit einem Finger über den Bildschirm geschoben, so bleibt das Objekt immer genau unter dem Finger des Anwenders. Bei indirekt manipulativen Gesten ist das nicht der Fall. Hier ist der Berührpunkt der Touch-Eingabe für die Bewegung des Objekts unwesentlich. Es ist nur die relative Bewegung der Geste zum Objekt relevant. Da Multi-Touch-Displays mit mehreren Fingern und Händen bedient werden können, sind deutlich mehr Freiheitsgrade als in herkömmlichen mausgesteuerten Benutzeroberflächen möglich. Mausgesteuerte Benutzeroberflächen sind durch einen Zeiger auf einer Ebene auf zwei Freiheitsgrade beschränkt. Wird mehr als ein Zeiger für die Eingabe von Positionen auf einem Multi-Touch-Display verwendet, dann stehen mit jedem zusätzlichen Zeiger respektive Finger zwei weitere Freiheitsgrade zur Verfügung. Werden diese Möglichkeiten in das Bedienkonzept eingearbeitet, kann die Bedienung eines Geräts näher an die Interaktion mit realen Objekten angelehnt werden. Besonders im Laufe der letzten Jahre haben sich einige Gesten betriebssystemübergreifend als Standard durchgesetzt und werden von allen gängigen Systemen (z.B. Windows 7/8, Mac OS X, iOS) unterstützt.