Intelligente Vernetzung der Produktion

Intelligente Vernetzung der Produktion

Eingebettete Systeme arbeiten vermehrt vernetzt, Sensoren werden erschwinglicher, Aktoren präziser und kleiner. Künftig führen diese Trends zu einem weitläufigen Netzwerk von sich ergänzenden Embedded Systemen, die über Sensoren die Umwelt erfassen und Aktionen auslösen: ein sogenanntes Cyber-Physical System. Auch für Hersteller von Maschinen und Anlagen gilt es, sich darauf vorzubereiten.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die ‚Integrierte Forschungsagenda Cyber-Physical Systems‘, kurz agendaCPS, erstellen lassen. Ziel ist es, die Chancen zu nutzen, die sich mit dem Anwendungsbereiche übergreifenden Einsatz und der globalen Vernetzung von eingebetteten Systemen ergeben hat. Die Agenda greift anhand von Anwendungsszenarien wie Smart Mobility oder Intelligente Fabrik das Thema Cyber-Physical Systems (CPS) auf und bestimmt deren technische Merkmale und Fähigkeiten. Für Cyber-Physical Systems identifiziert die agendaCPS fünf Charakteristika, die mit jeder Stufe eine zunehmende Öffnung, Komplexität, (autonome) Intelligenz und Vernetzung aufweisen:

1. Verschmelzung von physikalischer und virtueller Welt: Die physikalische Situationserkennung wird verbunden mit der Echtzeitsteuerung von Systemen. Kontinuierliche Systeme aus der Steuerungstechnik gilt es dabei mit diskreten Systemen der Informatik zu kombinieren.

2. ‚System of Systems‘ mit offenen, dynamisch wechselnden Systemgrenzen: Über Kommunikationskanäle angebunden lassen sich Dienste und weitere CPS-Komponenten dynamisch integrieren und nutzen.

3. Kontext-adaptive und (teil-)autonom handelnde Systeme: Basierend auf einer umfassenden Kontext-Erfassung, detaillierten Domänen-Modellen und abhängig von festgelegten Zielen, kann sich das Systemerhalten an wechselnde – auch unvorhergesehene – Nutzungssituationen und Ereignisse anpassen.

4. Kooperative Systeme mit verteilter, wechselnder Kontrolle: Das Verhalten eines CPS ist das Ergebnis einer vielfachen Interaktion und Koordination zwischen autonom handelnden Akteuren, Teilsystemen und angebundenen Diensten.

5. Umfassende Mensch-System-Kooperation: Der emotionale und physische Zustand und sogar die Absichten der menschlichen Nutzer werden erfasst und interpretiert. Die Umsetzung der Wünsche führt zu einer Mensch-Maschine-Kooperation. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine passt sich dabei an den Menschen an, unter anderem über die Art der Informationsdarstellung. In Stress-Situationen, etwa bei Maschinenausfällen oder anderen schwerwiegenden Störungen in der Produktion, könnte ein System beispielsweise die Zahl der angebotenen Entscheidungs-Alternativen reduzieren.

Marktplätze für Cyber-Physical Systems

Auch künftige Geschäftsmodelle hat sich die Forschungsagenda angesehen. So fordern immer komplexer werdende Cyber-Physical Systems auch immer komplexere, umfassendere Lösungen. Diese lassen sich nur noch in wirtschaftlichen Ökosystemen erstellen: Lose strategische Allianzen von Unternehmen, die, aufbauend auf einer gemeinsamen – technischen oder wirtschaftlichen – Plattform, Lösungen erbringen. Das entscheidende Merkmal wird nicht mehr die Kunden-Lieferanten-Beziehung sein, sondern die Einbindung in Marktplätze, auf denen Anbieter und Kunden einander, wechselseitig und kontextabhängig finden und austauschen können. In solchen Ökosystemen positionieren sich künftig die Teilnehmer mit unterschiedlichen Rollen: Als Produzent von Komponenten für CPS-Infrastruktur, Betreiber von Kommunikationsplattformen, Anbieter von Unterstützungsdiensten, oder auch als Betreiber eines CPS-Marktplatzes. Der Betreiber eines CPS beispielsweise ist zuständig für die Integration der Hardware, den Betrieb von Basisdiensten, und die Garantie von Service- und Datenqualität. Insgesamt wird die Entwicklung eine starke Ähnlichkeit haben mit der Virtualisierung von Vertriebskanälen im Handel, wo Logistikdienstleister wie myhammer.de die Zusammenarbeit koordinieren.

CPS als Schlüsseltechnologie für die Fabrik der Zukunft

Die Charakteristika von CPS beeinflussen also eine der deutschen Schwerpunktbranchen: Den Maschinen- und Anlagenbau und seine Automatisierungstechnik. CPS werden quasi zu einer Schlüsseltechnologie in der Fabrik der Zukunft – im Sinne einer so genannten ‚enabling technology‘. Für den Geschäftserfolg von Maschinen- und Anlagenbauern genügt es künftig nicht mehr, hochproduktive und zuverlässige Maschinen und Anlagen zu liefern, mit denen weltweit qualitativ hochwertige Produkte hergestellt werden. Vielmehr kaufen Anwender den Nutzen, im Extremfall nur noch das mit der Maschine oder Anlage hergestellte Produkt. Damit rücken für Maschinen- und Anlagenbauer produktbegleitende Dienstleistungen rund um die eigentliche Maschine in den Fokus. Schlüssel zu solchen neuen produktbegleitenden Dienstleistungen sind CPS. Sie durchdringen den traditionellen Maschinen- und Anlagenbau immer stärker und schaffen Potenziale für innovative Dienstleistungen. Allerdings sind viele Maschinen- und Anlagenbauer auf die neuen CPS-basierten Leistungen noch nicht systematisch vorbereitet: Nach einer Studie des Fraunhofer IAO hat beispielsweise nur ein Viertel der Maschinenbauer eine explizite Strategie dazu, welche Internet-basierten Dienstleistungen sie auf- und ausbauen wollen und nur ein Fünftel der gleichen Unternehmen verfügt über ein passendes Geschäftsmodell. Hier besteht also Handlungsbedarf, zumal Software zukünftig zum eigenständigen Bestandteil des Produktportfolios wird – mit den Herausforderungen eines professionellen Softwareentwicklungsprozesses, Qualitätssicherung und Lebenszyklus-Modellen für Software bis hin zur Anpassung der Vertriebsorganisation, die CPS-basierte Produkte und deren Nutzen verkaufen kann.

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