Interview mit Frank Schmidt, CTO von EnOcean und ein Pionier der Energy Harvesting-Technologie Energy Harvesting Wo geht die Reise hin?

Interview mit Frank Schmidt, CTO von EnOcean und ein Pionier der Energy Harvesting-Technologie Energy Harvesting Wo geht die Reise hin?

Das Interesse an dem Thema Energy Harvesting reißt nicht ab. Immer mehr Menschen interessieren sich für die innovative Methode, die es ermöglicht, Energie aus der Umgebung zu gewinnen, zum Beispiel aus mechanischer Bewegung, Licht oder Temperaturunterschieden. Frank Schmidt, CTO von EnOcean und ein Pionier der Energy Harvesting-Technologie, gibt Antworten über die heutigen und zukünftigen Möglichkeiten der innovativen Technologie.
eD: Energy Harvesting-Funksensoren haben bereits eine rasante Entwicklung genommen. Obwohl dieser Begriff erst vor etwa zehn Jahren geprägt wurde, sind die Sensoren heute in vielen Applikationen im Einsatz. Basierend auf der EnOcean-Technologie gibt es heute bereits etwa 700 Endprodukte von über 150 verschiedenen Herstellern. Herr Schmidt, wie ist das möglich?

Frank Schmidt: Die Innovationszyklen sind tatsächlich extrem kurz, heute sprechen wir bereits von der dritten Generation der wesentlichen Bausteine der Technologie das sind die Energiewandler und -speicher sowie das Energiemanagement, die Funkmodule und die Software. Jede Generation brachte wichtige Fortschritte dieser Bausteine. Ein Beispiel dafür sind die Energiewandler für Funkschalter. 2003 kam die erste Generation auf den Markt, die noch nach dem piezoelektrischen Prinzip funktioniert hat. Bereits kurz nach der Produkteinführung wurde jedoch an alternativen Konzepten gearbeitet. Mit dem Ergebnis, dass die Piezowandler 2005 durch die zweite Produktgeneration abgelöst wurden, die auf dem elektromagnetischen Prinzip beruht. Diese neuen Wandler sind kleiner, effizienter, langlebiger und kostengünstiger. Demnächst kommt die nächste Generation auf den Markt: mit noch weiter verbesserter Effizienz, Langlebigkeit und aus einer vollautomatisierten Fertigung. Ähnlich deutliche Verbesserungen gibt es auch bei den Funkmodulen und der Software.

eD: Kann dieses Tempo in der technologischen Entwicklung überhaupt gehalten werden oder ist eher eine Stagnation zu erwarten?

Frank Schmidt: Bei der technischen Entwicklung muss man die heute schon existierenden und völlig neuen Bausteine und Anwendungen getrennt betrachten. Die heute existierenden Funkmodule, Energiewandler oder Softwaretools haben in den erprobten Anwendungen bereits einige Entwicklungszyklen hinter sich, sodass das Verbesserungspotenzial abnimmt. Die Performance ist absolut ausreichend, daher wird derzeit eher an der Verbesserung der Herstellungskosten und Baugrößenminimierung gearbeitet. Anders ist die Situation bei neuartigen Bausteinen, wie zum Beispiel Energiewandlern für Temperaturdifferenzen, Low Power-Funkempfängern oder energiesparenden bidirektionalen Kommunikationskonzepten. Hier sind aufgrund der neuartigen Aufgabenstellungen enorme Fortschritte möglich, die wir in den nächsten Jahren auch in Produkten erwarten können. Das Gleiche gilt für den Einsatz in neuen Anwendungsgebieten.

eD: Gerade bei den Applikationen kann man ja teils abenteuerlich anmutende Prognosen in Fachartikeln und im Internet finden beispielsweise energieautarke Funk-Implantate im menschlichen Körper, die unsere Gesundheit überwachen, Nanotechnologie-Vibrationswandler, die in Chips auf der Platine sitzen und diese mit Strom versorgen, oder Funksensoren, die wie fleischfressende Pflanzen Insekten anlocken und deren Energie gewinnen.

Frank Schmidt: Ich finde, diese Beispiele zeigen sehr schön, was für eine breite Basis die Forschung bereits bekommen hat. Es findet ein interdisziplinärer Austausch zwischen Biologen, Materialwissenschaftlern, Medizinern, Elektronik-Entwicklern und vielen anderen Fachrichtungen statt. Viele Menschen sind fasziniert von den Möglichkeiten der Technologie und zweifellos werden sich völlig neue sinnvolle Applikationen in den nächsten Jahren etablieren. Manche Konzepte werden allerdings auch wieder untergehen. Zu den aussichtsreichsten Kandidaten in der Zukunft zähle ich solche, die ein bestehendes Problem unter realen Bedingungen zuverlässig und gleichzeitig wirtschaftlicher als bisher lösen können. Beispiele dafür gibt es genügend: In der Landwirtschaft könnten große Flächen gewinnbringend mit Sensoren versehen werden. Auf diese Weise ließen sich Waldbrände frühzeitig erkennen oder hochwertige Pflanzen optimal mit Nährstoffen und Wasser versorgen zum Beispiel im Weinberg, wo zahlreiche Sensoren lokal Düngerstatus, pH-Wert und Wassergehalt im Boden messen und per Funk an eine Zentrale übermitteln könnten. Ein weiteres Beispiel ist das ‚Betreute Wohnen‘. Aufgrund der veränderten Altersstruktur in den Industriestaaten werden neue Konzepte benötigt, die anstelle von personalintensiven Altersheimen auf die weitgehende Selbstständigkeit älterer Menschen setzen. Gesundheitliche Risiken sollen durch den Einsatz von Technologie vermieden oder früh erkannt werden und da spielen Sensoren eine Schlüsselrolle. Wartungsfreiheit ist hier besonders wichtig, deswegen sind die energieautarken Funksensoren besonders gut geeignet.

eD: Die technischen Aspekte und Vorteile sind tatsächlich sehr überzeugend. Wenn es um die Eroberung neuer Märkte geht, spielen auch weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Was muss gemacht werden, um eine Technologie langfristig erfolgreich zu etablieren?

Frank Schmidt: Eine wesentliche Bedingung ist, dass sich genügend Nutzer finden, die alle in die gleiche Richtung arbeiten: an der Schaffung eines Standards, der eine verbindliche Plattform für die Erweiterung bestehender und die Entwicklung neuer Anwendungen darstellt. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, in welche Richtung sich Energy Harvesting in den kommenden Jahren entwickeln wird.

EnOcean GmbH
www.enocean.de

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